Dein vorletzter Wille

Da liegst du nun. Regungslos, taub, stumm und blind
Ein Leben an hauchdünnen Schläuchen
Kriegst kaum noch Besuch. Was immer man flüstert
Es kann dich ja doch nicht erreichen

Noch pocht es in dir. Wir beobachten, prüfen
Vergleichen die Messwerte ständig
Du wirst allem Ermessen nach nie mehr erwachen
Und bist unstrittig klinisch lebendig

Erlöse mich, wenn es zum Schlimmsten kommt –
Das war doch dein vorletzter Wille
Ich berührte dich beinah und spürte kaum
Beschlag auf meiner Brille

Die Tage vergehen und werden zu Wochen
Sekunden so lang wie sonst Stunden
Die Antworten liegen mir schal auf der Zunge
Die Hände von Fragen gebunden

Da liegst du nun. Welche Schuld fordert als Preis
Ein so rasend vergebliches Leiden?
Welch jüngstes Gericht hat deine Akte verlegt?
Muss Gott alles selber entscheiden?

Erlöse mich, wenn es zum Schlimmsten kommt –
Das war doch dein vorletzter Wille
Dein letzter war nur ein Schluck Wasser
Und seither nichts als Stille



Credits
Writer(s): Heinz Rudolf Kunze
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