Dreh das Fernsehen ab

Hab ich geschlafen? Hab ich geträumt, gab ich nicht acht? War's eine Fliege, die mich plötzlich geweckt hat?
Oder der Sessel auf dem ich saß, hat er gekracht? War's eine
Hupe, die mich plötzlich erschreckt hat?
Jedenfalls tut es mir leid, wenn ich schlief, denn es ist doch erst dreiviertel zehn.
Lange vor Mitternacht also zu zeitig um endgültig schlafen zu gehn.
War ich zu müde, und zu passiv, ging etwas schief, während ich schlief?

Dreh das Fernsehn ab, Mutter, es zieht!
Und der Abend ist zu schön für solche Sorgen,
und das morgige Programm beginnt erst morgen.
Ich weiß schon heut, was man dann sieht,
dreh das Fernsehn ab, Mutter, es zieht.

Dreh das Fernsehn ab, Mutter, es zieht!
Auf den Bäumen reifen nachts verbotene Früchte.
Hinterm Haus erzählt man hässliche Gerüchte.
Erst nur ein Wort, später ein Lied,
dreh das Fernsehn ab, Mutter, es zieht!

Man verbot jetzt April und Musik in A-Dur und begoss unsere Strassen mit Leim.
Jeder Bürger erhält eine goldene Uhr, doch das Wetter bleibt weiter geheim.
An der Staatsgrenze streicht man die Schlagbäume weiss und man muss jetzt die Semmeln verzolln.
Unser Nachbar erhält einen Förderungspreis, damit andere auch einen wolln.

Dreh das Fernsehn ab, Mutter, es zieht!
Und die Würmer in den Äpfeln stehn schon strammer.
Und der Kammerdiener kommt aus seiner Kammer.
Gehn wir zu Bett, eh was geschieht!
Dreh das Fernsehn ab, Mutter, es zieht!

Jeder Feldmarschall kriegt ein besonderes Dekret,
was er tut gilt sofort als verjährt.
Man lässt trotzdem die Strafanstalt stehn, wo sie steht,
sie wird einfach zum Irrenhaus erklärt.
In der Ferne, wo niemand erkennen ihn kann,
geht ein Mann auf und ab ohne Ruh.
Ich geh hin und - mein Gott! - ich bin selber der Mann,
und ruf einsam und leise mir zu:

Hab ich geschlafen? Hab ich geträumt, gab ich nicht acht? War's eine Fliege, die mich plötzlich geweckt hat?
Oder der Sessel auf dem ich saß, hat er gekracht? War's eine
Hupe, die mich plötzlich erschreckt hat?
Jedenfalls tut es mir leid, wenn ich schlief, denn es ist doch erst dreiviertel zehn.
Lange vor Mitternacht also zu zeitig um endgültig schlafen zu gehn.
War ich zu müde, und zu passiv, ging etwas schief, während ich schlief?

Dreh das Fernsehn ab, Mutter, es zieht!
Auf den Feldern reift das gestrige Gemüse,
die Antennen wachsen langsam durch die Wiese,
wer noch jung ist, wird schon jede Woche zäher,
und die Tränenlieferanten kommen näher.
Irgendwer schreit, irgendwer flieht.

Dreh das Fernsehn ab, Mutter, es zieht!

Dreh das Fernsehn ab, Mutter, es zieht!



Credits
Writer(s): Georg Kreisler
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