Der Wolf

Ganz hinten in dem kleinen alten Tiergarten
wo die Viecher ganz besonders traurig schau'n

da lebt mir scheint's schon ewig
in am dunklen engen Käfig
der alte räudige Wolf.
Ein'n Hasen und ein'n Tanzbär'n
die hat er dort als Nachbarn

der alte, der räudige Wolf.

Den meisten Ärger hat er mit dem Hasen
a Vegetarier
no, was willst no mehr?
Das Gfrast schimpft immer umme
ist frech und zeigt die Zunge
dem alten hungrigen Wolf.
Ja hinter einem Gitter san die Hasen sogar sicher
vor am alten
am hungrigen Wolf.

Mit dem Tanzbär'n kann er leider a net reden.
Wie der no Tango tanzt hat da war's no net so schlimm.
Seitdem man " Schwanensee " probiert
den Spitzentanz studiert
da wern die anderen Viecher alle ignoriert.
Er ist zu jedem präpotent
der die Pawlowa net kennt.
Was soll er machen
der alte blöde Wolf?

Am Sonntag kommen oft ein Haafen Menschen
die schau'n ihn dann durch's Gitter deppert an.
Dann schimpfen's fürchterlich und spucken aem in's Gsicht
weil er die Geislein gfressen haben soll.
Ja, den Hasen, den ham's gern
"da capo!" schrein's beim Bär'n
Er hat's net leicht
der alte schiache Wolf.

Und einmal in der Woch'n, jeden Freitag
da wird er vom Wärter dressiert.
Mit'm Schwanz mues er dann wedeln
und das Pfoterl mues er geben

der arme alte Wolf.
Einmal hat er bissen - drauf ham
s'ihm die Zähnd aus'm Maul aussigriss'n

dem alten armen Wolf.

Nur in der Nacht - so zwischen elfe und halb zwölfe -
da singt er dann zum Mond das Lied der Wölfe:
Dort, wo der Regen net bitter schmeckt
dort, wo die Nacht die Zigeuner versteckt

dort, wo die Sonn' deine Wunden heilt

dort, is des Land das Freiheit heisst
so glaubt er
der alte blöde Wolf!

Dort, wo der Sturm die Baumspitzen quält

dort, wo der Wind keine Lieg'n derzählt
dort, wo ein Viech kei Gitter kennt
dort, is des Land
das er Freiheit nennt

der alte
räudige Wolf.



Credits
Writer(s): Ludwig Hirsch
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