Der Zauberlehrling.2

Johann Wolfgang von Goethe

Der Zauberlehrling

Hat der alte Hexenmeister
Sich doch einmal wegbegeben
Und nun sollen seine Geister
Auch nach meinem Willen leben
Seine Wort und Werke
Merkt ich und den Brauch
Und mit Geistesstärke
Tu ich Wunder auch

Walle, walle
Manche Strecke
Daß, zum Zwecke
Wasser fließe
Und mit reichem, vollem Schwalle
Zu dem Bade sich ergieße

Und nun komm, du alter Besen
Nimm die schlechten Lumpenhüllen
Bist schon lange Knecht gewesen
Nun erfülle meinen Willen
Auf zwei Beinen stehe
Oben sei ein Kopf
Eile nun und gehe
Mit dem Wassertopf

Walle, walle
Manche Strecke
Daß, zum Zwecke
Wasser fließe
Und mit reichem, vollem Schwalle
Zu dem Bade sich ergieße

Seht, er läuft zum Ufer nieder
Wahrlich ist schon an dem Flusse
Und mit Blitzesschnelle wieder
Ist er hier mit raschem Gusse
Schon zum zweiten Male
Wie das Becken schwillt
Wie sich jede Schale
Voll mit Wasser füllt

Stehe, stehe
Denn wir haben
Deiner Gaben
Vollgemessen
Ach, ich merk es! Wehe, wehe
Hab ich doch das Wort vergessen

Ach, das Wort, worauf am Ende
Er das wird, was er gewesen
Ach, er läuft und bringt behende
Wärst du doch der alte Besen

Immer neue Güsse
Bringt er schnell herein
Ach, und hundert Flüsse
Stürzen auf mich ein

Nein, nicht länger
Kann ichs lassen
Will ihn fassen
Das ist Tücke
Ach, nun wird mir immer bänger
Welche Miene! Welche Blicke

O du Ausgeburt der Hölle
Soll das ganze Haus ersaufen?
Seh ich über jede Schwelle
Doch schon Wasserströme laufen
Ein verruchter Besen
Der nicht hören will
Stock, der du gewesen
Steh doch wieder still

Willst am Ende
Gar nicht lassen?
Will dich fassen
Will dich halten
Und das alte Holz behende
Mit dem scharfen Beile spalten

Seht da kommt er schleppend wieder
Wie ich mich nur auf dich werfe
Gleich, o Kobold, liegst du nieder
Krachend trifft die glatte Schärfe
Wahrlich, brav getroffen
Seht, er ist entzwei
Und nun kann ich hoffen
Und ich atme frei

Wehe, wehe!
Beide Teile
Stehn in Eile
Schon als Knechte
Völlig fertig in die Höhe
Helft mir, ach ihr hohen Mächte

Und sie laufen! Naß und nässer
Wirds im Saal und auf den Stufen
Welch entsetzliches Gewässer
Herr und Meister! Hör mich rufen
Ach, da kommt der Meister
Herr, die Not ist groß
Die ich rief, die Geister
Werd ich nun nicht los

In die Ecke
Besen, Besen
Seids gewesen
Denn als Geister
Ruft euch nur zu seinen Zwecke
Erst hervor der alte Meister



Credits
Writer(s): Johann Wolfgang Von Goethe, Yoyo Roehm
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