Die Schlüsselblume

In stiller Nacht geht ganz allein
ein Teppichhändler durch eines Waldes Hain,
er betritt eine Lichtung, und hebt das Gesicht,
und sieht: seltsame Sterne in gleißendem Licht;
auf der Wiese sieht er eine Blume steh'n,
glitzernd, und herrlich anzuseh'n,
und er fasst diese Blume, und bricht sie sacht,
da öffnet sich ihm einer Höhle Schacht.

Er tritt in einen hellen weiten Raum,
und mag nicht glauben, was seine Augen schau'n:
voller Silber, Gold, und Edelsteinen
sieht er drei Grotten vor sich erscheinen,
und er sieht sein Leben in Reichtum und Macht,
geblendet von des Geschmeides Pracht,
erscheint ihm seine Zukunft gesichert und klar:
ein neues Leben beginnt, das alte war.

Und wie er da steht, und seinen Traum genießt,
merkt er, wie sich das Tor langsam schließt;
da greift er sich, was er nur fassen kann,
und springt heraus –
hinter ihm schleißt sich die Höhle mit dumpfem Klang,
er betrachtet den Reichtum in seiner Hand,
doch der zerfällt, und wird zu Sand,
und er merkt, dass er das schönste vergaß:
die Blume, den Schlüssel, den er besaß.



Credits
Writer(s): Walter Westrupp, Bernd Witthueser
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