Hab' Dank für deine Zeit

Ich der den Hut vor keinem zieht
Vor keinem Herren niederkniet
Und dessen Nacken nicht lernt sich zu neigen
Ich komm', weil ich dir sagen will
Dein Beispiel macht mich klein und still
Und bringt mein freches Lästern mal zum Schweigen

Die Kinder hängen an dir dran
Keins, das allein auskommen kann
Ich seh' dich aus der kleinen Herde ragen
Missliebige Blicke manchmal
Sie sind nicht sogenannt "normal"
Lass mich für die sprachlosen Münder sagen

Hab' Dank für deine Zeit
Hab' Dank für deine Freundlichkeit
Für die Arbeit deiner Hände
Für den Mut der Widerstände
Überwindet und alle Engstirnigkeit
Hab' Dank für deine Zeit

Du, die im Altenheim, wie's heißt
Geduldig zuzuhören weißt
Wo wir die alten Leute nur verwalten
Denen, die dort vergessen sind
Bist du Verwandter, Freund und Kind
Der einzige Besuch, den sie erhalten

Du, in dem großen Krankenhaus
Machst deinen Dienst tagein, tagaus
Und du besitzt die Kunst Leiden zu mindern
Kein Ruhm, kein Orden der dir fehlt
Die Aufgabe, die dich beseelt
Ist Trost zu geben und Schmerzen zu lindern

Hab' Dank für deine Zeit
Hab' Dank für deine Freundlichkeit
Für die Arbeit deiner Hände
Für den Mut der Widerstände
Überwindet und alle Engstirnigkeit
Hab' Dank für deine Zeit

Zu seh'n, dass es Leute wie dich
Unter uns gibt, das tröstet mich
Und die Gewissheit dessen ist mit teuer
Ein Funke deiner Menschlichkeit
Wärmt mich in unsrer rauhen Zeit
Und leuchtet wie ein großes Freudenfeuer

Hab' Dank für deine Zeit
Hab' Dank für deine Freundlichkeit
Für die Arbeit deiner Hände
Für den Mut der Widerstände
Überwindet und alle Engstirnigkeit
Hab' Dank für deine Zeit



Credits
Writer(s): Reinhard Mey
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