Wessi
Erinnerst du dich an diesen lauen Sommerabend,
Mitte der Achtziger?
Die Regierung fuhr in die Ferien,
die Kirschbäume trugen,
die Bauern bekamen ihr Ruhegeld aus Brüssel,
die vier Stadttheater in jedem Marktflecken spielten
noch für viermal vier Enthusiasten,
die Selbsterfahrungskurse waren am Blühen,
die Staus überschaubar
und jeder Arbeitslose traf sich
mit seinem Sachbearbeiter vom Sozialamt
und fand mit ihm einen Weg.
Oh Wessie, du hast bessere Zeiten gesehn,
oh Wessie, warum muß die Welt sich drehn?
Da konnten die Kinder noch auf der Straße spielen,
freiwillig zwanzig, forever young.
Aids kam in einem Märchenbuch vor aus der Bronx,
ein netter Onkel auf einem Spielplatz
war wirklich noch ein netter Onkel,
da liefen die Fabrikanten
noch mit Schildern durch Fußgängerzonen:
"Habe gerade meine Produktionsabläufe erweitert,
biete Jobs mit vierzehntem Monatsgehalt."
So um Weihnachten wurden immer noch
Päckchen gepackt für die drüben,
literweise Coke.
Und was haben wir für tolle Grillfeste gefeiert
mit unsern ausländischen Freunden,
mit Hatice und Ali,
da liefen noch richtige Liebeslieder im Radio,
auf deutsch und mit Anspruch
und Wohnungen, mein Gott, Wohnungen:
Brauchst du eine, ich hab zwei übrig?
Oh Wessie, du hast bessere Zeiten gesehn,
oh Wessie, warum muß die Welt sich drehn?
Jetzt ist das alles schon lange ein Märchen.
Heute bekommst du Besuch
von deinem Schwager aus Chemnitz.
Der Hund fährt das gleiche Auto wie du.
Zwei rostrote geleaste Opel Omegas,
nur den Aufkleber: 'Mein Freund ist Ausländer',
den hat er nicht.
Du wirst mit ihm Holzkohle fahren,
holen fürs Grillfest,
wirst ihn zur Montessori-Schule mitnehmen,
die lieben Kleine abholen,
quer durch die von Nichtstuern geschüttelte Stadt,
wirst ihm die elektronische Wegfahrsperre am Auto vorführen,
die Nachtsichtbewachung am Haus,
aber nichts davon wird ihn wirklich beeindrucken,
denn neuerdings hat er das alles ja immer schon selbst
Und trotzdem wird er nichts anderes tun
als zu jammern darüber, wieviel schöner es früher war,
in seinem Karl-Marx-Stadt.
Mein Gott, werden wir noch jemals
so über's Feuer springen wie damals,
it Hatice und Ali, warum sind die eigentlich weggezogen?
"Nu, hätt man's anders gewußt,
dann hätt man's jetzt anders,"
sagt dein Schwager und erkundigt sich,
ob nicht wenigstens auch Club-Cola im Haus ist
"Nicht schneller ans Ziel kommen, aber entspannter",
wer hat das doch gleich gesagt?
Björn Engholm? Jutta Ditfurth? Margot Honecker?
Oder stand das in diesem verdammten Prospekt?
Und kein Wort von Kreditüberziehung heute abend,
ich bitte dich, besser tu so,
als wär deine Welt eine Scheibe
"Wir haben verstanden!"
Oh Wessie, du hast bessere Zeiten gesehn,
oh Wessie, warum muß die Welt sich drehn?
Mitte der Achtziger?
Die Regierung fuhr in die Ferien,
die Kirschbäume trugen,
die Bauern bekamen ihr Ruhegeld aus Brüssel,
die vier Stadttheater in jedem Marktflecken spielten
noch für viermal vier Enthusiasten,
die Selbsterfahrungskurse waren am Blühen,
die Staus überschaubar
und jeder Arbeitslose traf sich
mit seinem Sachbearbeiter vom Sozialamt
und fand mit ihm einen Weg.
Oh Wessie, du hast bessere Zeiten gesehn,
oh Wessie, warum muß die Welt sich drehn?
Da konnten die Kinder noch auf der Straße spielen,
freiwillig zwanzig, forever young.
Aids kam in einem Märchenbuch vor aus der Bronx,
ein netter Onkel auf einem Spielplatz
war wirklich noch ein netter Onkel,
da liefen die Fabrikanten
noch mit Schildern durch Fußgängerzonen:
"Habe gerade meine Produktionsabläufe erweitert,
biete Jobs mit vierzehntem Monatsgehalt."
So um Weihnachten wurden immer noch
Päckchen gepackt für die drüben,
literweise Coke.
Und was haben wir für tolle Grillfeste gefeiert
mit unsern ausländischen Freunden,
mit Hatice und Ali,
da liefen noch richtige Liebeslieder im Radio,
auf deutsch und mit Anspruch
und Wohnungen, mein Gott, Wohnungen:
Brauchst du eine, ich hab zwei übrig?
Oh Wessie, du hast bessere Zeiten gesehn,
oh Wessie, warum muß die Welt sich drehn?
Jetzt ist das alles schon lange ein Märchen.
Heute bekommst du Besuch
von deinem Schwager aus Chemnitz.
Der Hund fährt das gleiche Auto wie du.
Zwei rostrote geleaste Opel Omegas,
nur den Aufkleber: 'Mein Freund ist Ausländer',
den hat er nicht.
Du wirst mit ihm Holzkohle fahren,
holen fürs Grillfest,
wirst ihn zur Montessori-Schule mitnehmen,
die lieben Kleine abholen,
quer durch die von Nichtstuern geschüttelte Stadt,
wirst ihm die elektronische Wegfahrsperre am Auto vorführen,
die Nachtsichtbewachung am Haus,
aber nichts davon wird ihn wirklich beeindrucken,
denn neuerdings hat er das alles ja immer schon selbst
Und trotzdem wird er nichts anderes tun
als zu jammern darüber, wieviel schöner es früher war,
in seinem Karl-Marx-Stadt.
Mein Gott, werden wir noch jemals
so über's Feuer springen wie damals,
it Hatice und Ali, warum sind die eigentlich weggezogen?
"Nu, hätt man's anders gewußt,
dann hätt man's jetzt anders,"
sagt dein Schwager und erkundigt sich,
ob nicht wenigstens auch Club-Cola im Haus ist
"Nicht schneller ans Ziel kommen, aber entspannter",
wer hat das doch gleich gesagt?
Björn Engholm? Jutta Ditfurth? Margot Honecker?
Oder stand das in diesem verdammten Prospekt?
Und kein Wort von Kreditüberziehung heute abend,
ich bitte dich, besser tu so,
als wär deine Welt eine Scheibe
"Wir haben verstanden!"
Oh Wessie, du hast bessere Zeiten gesehn,
oh Wessie, warum muß die Welt sich drehn?
Credits
Writer(s): Hermannus J. Herman Van Veen, Manfred Maurenbrecher
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