Der Zwerg, Op. 22, No. 1, D. 771

Im trüben Licht verschwinden schon die Berge,
Es schwebt das Schiff auf glatten Meereswogen,
Worauf die Königin mit ihrem Zwerge.
Sie schaut empor zum hochgewölbten Bogen,
Hinauf zur lichtdurchwirkten blauen Ferne;
Die mit der Milch des Himmels blass durchzogen.
"Nie, nie habt ihr mir gelogen noch, ihr Sterne,"
So ruft sie aus, "bald werd' ich nun entschwinden,
Ihr sagt es mir, doch sterb' ich wahrlich gerne."
Da tritt der Zwerg zur Königin, mag binden
Um ihren Hals die Schnur von roter Seide,
Und weint, als wollt' er schnell vor Gram erblinden.
Er spricht: "Du selbst bist schuld an diesem Leide,
Weil um den König du mich hast verlassen,
Jetzt weckt dein Sterben einzig mir noch Freude.
"Zwar werd' ich ewiglich mich selber hassen,
Der dir mit dieser Hand den Tod gegeben,
Doch musst zum frühen Grab du nun erblassen."
Sie legt die Hand aufs Herz voll jungem Leben,
Und aus dem Aug' die schweren Tränen rinnen,
Das sie zum Himmel betend will erheben.
"Mögst du nicht Schmerz durch meinen Tod gewinnen!"
Sie sagt's, da küsst der Zwerg die bleichen Wangen,
D'rauf alsobald vergehen ihr die Sinnen.
Der Zwerg schaut an die Frau, von Tod befangen,
Er senkt sie tief ins Meer mit eig'nen Handen.
Ihm brennt nach ihr das Herz so voll Verlangen,
An keiner Küste wird er je mehr landen.



Credits
Lyrics powered by www.musixmatch.com

Link