Winterreise, D.911: 19. Täuschung

Im Erlenbusch, im Tannenhain,
Im Sonn- und Mond- und Sternenschein
Umlächelt mich ein Bildnis.
Vor seinem Lächeln klärt sich schnell
Die Dämmerung in Himmelhell,
In Paradies die Wildnis.

Es säuselt in der Abendluft,
Es dämmert in dem Morgenduft,
Es tanzet auf der Aue,
Es flötet in der Wachtel Schlag,
Und spiegelt sich im klaren Bach,
Und badet sich im Taue.

Es naht in holder Traulichkeit
Sich mir in tiefster Dunkelheit
So schüchtern und so leise.
Es lullt mich wohl in sanfte Ruh',
Und haucht im Schlaf mir Träume zu
Von wundersüsser Weise.

Ich öffn' ihm sehnend meinen Arm,
Und streb' es traut und liebewarm
An meine Brust zu drücken.
Ich hasch' und hasche leere Luft,
Und nichtig, wie ein Nebelduft,
Entwallt es meinen Blicken.

Wer bist du, holdes Luftgebild,
Das engelhold und engelmild
Mit Schmerz und Lust mich tränket?
Bist du ein Bote bess'rer Welt,
Der mich aus diesem öden Feld
In seine Heimat winket?

O fleug voran! Ich folge dir.
Bei dir ist Seligkeit; nicht hier.
Sprich, wo ich dich erfasse,
Und ewig aller Pein entrückt,
Umstrickend dich, von dir umstrickt,
Dich nimmer, nimmer lasse.



Credits
Writer(s): Franz Schubert, Gregor Meyer
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