Elektra, Op.58: "Wenn das rechte Blutopfer unterm Beile fällt"

ELEKTRA
Wenn das rechte Blutopfer
unterm Beile fällt,
dann träumst du nicht länger!
KLYTÄMNESTRA
Also wüßtest du mit welchem
geweihten Tier? -
ELEKTRA
Mit einem ungeweihten!
KLYTÄMNESTRA
Das drin gebunden liegt?
ELEKTRA
Nein! es läuft frei.
KLYTÄMNESTRA
Und was für Bräuche?
ELEKTRA
Wunderbare Bräuche,
und sehr genau zu üben.
KLYTÄMNESTRA
Rede doch!
ELEKTRA
Kannst du mich nicht erraten?
KLYTÄMNESTRA
Nein, darum frag' ich.
Den Namen sag' des Opfertiers!
ELEKTRA
Ein Weib.
KLYTÄMNESTRA
Von meinen Dienerinnen eine, sag!
ein Kind?
ein jungfräuliches Weib?
ein Weib,
das schon erkannt vom Manne?
ELEKTRA
Ja! erkannt! das ist's!
KLYTÄMNESTRA
Und wie das Opfer?
und welche Stunde?
und wo?
ELEKTRA
An jedem Ort, zu jeder Stunde
des Tags und der Nacht.
KLYTÄMNESTRA
Die Bräuche sag!
Wie brächt ich's dar?
ich selber muß -
ELEKTRA
Nein. Diesmal gehst du nicht
auf die Jagd mit Netz und mit Beil.
KLYTÄMNESTRA
Wer denn? wer brächt' es dar?
ELEKTRA
Ein Mann.
KLYTÄMNESTRA
Ägisth
ELEKTRA
Ich sagte doch: ein Mann!
KLYTÄMNESTRA
Wer? gib mir Antwort.
Vom Hause jemand?
oder muß ein Fremder
herbei?
ELEKTRA
Ja, ja, ein Fremder.
Aber freilich
ist er vom Haus.
KLYTÄMNESTRA
Gib mir nicht Rätsel auf.
Elektra, hör mich an.
Ich freue mich,
daß ich dich heut'
einmal nicht störrisch finde.
ELEKTRA
Läßt du den Bruder nicht
nach Hause, Mutter?
KLYTÄMNESTRA
Von ihm zu reden
hab' ich dir verboten.
ELEKTRA
So hast du Furcht vor ihm?
KLYTÄMNESTRA
Wer sagt das?
ELEKTRA
Mutter, du zitterst ja!
KLYTÄMNESTRA
Wer fürchtet sich vor einem
Schwachsinnigen.
ELEKTRA
Wie?
KLYTÄMNESTRA
Es heißt, er stammelt,
liegt im Hof bei ben Hunden
und weiß nicht Mensch
und Tier zu unterscheiden.
ELEKTRA
Das Kind war ganz gesund.
KLYTÄMNESTRA
Es heißt, sie gaben
ihm schlechte Wohnung
und Tiere des Hofes
zur Gesellschaft.
ELEKTRA
Ah!
KLYTÄMNESTRA
Ich schickte viel Gold
und wieder Gold,
sie sollten ihn
gut halten wie ein Königskind.
ELEKTRA
Du lügst!
Du schicktest Gold,
damit sie ihn erwürgen.
KLYTÄMNESTRA
Wer sagt dir das?
ELEKTRA
Ich seh's an deinen Augen.
Allein an deinem
Zittern seh' ich auch,
daß er noch lebt.
Daß du bei Tag und Nacht
an nichts denkst als an ihn.
Daß dir das Herz
verdorrt vor Grauen,
weil du weißt: er kommt.
KLYTÄMNESTRA
Was kümmert mich,
wer außer Haus ist.
Ich lebe hier und bin die Herrin.
Diener hab' ich genug,
die Tore zu bewachen,
und wenn ich will,
laß ich bei Tag und Nacht
vor meiner Kammer drei
Bewaffnete mit offenen
Augen sitzen.
Und aus dir
bring' ich so oder
so das rechte Wort
schon an den Tag.
Du hast dich schon verraten,
daß du das rechte Opfer
weißt und auch die Bräuche,
die mir nützen.
Sagst du's nicht im Freien,
wirst du's an der Kette sagen.
Sagst du's nicht satt,
so sagst du's hungernd.
Träume sind etwas,
das man los wird.
Wer dran leidet
und nicht das Mittel findet,
sich zu heilen,
ist nur ein Narr.
Ich finde mir heraus,
wer bluten muß,
damit ich wieder schlafe.



Credits
Writer(s): Hugo Hofmannsthal Von, Richard Dunser, Richard Strauss
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